|
Wer mich etwas näher kennt, der wird verstehen, dass das "Ergattern" dieser
Ansichtskarte für mich so etwas wie Weihnachten und Ostern auf einen Tag
bedeutete. Die Karte, meine bislang teuerste Erwerbung auf diesem Gebiet,
zeigt mein Wohnhaus! Und das nicht nur irgendwie so halb angerissen, sondern
in voller Größe.
Wer weiss, ob es www.gruss-aus-senftenberg.de jemals gegeben hätte, wäre mir
dieses Stück bereits damals vor 4 Jahren über den Weg gelaufen. Es kam bekanntlich
anders und es mussten erst 1300 andere Motive angesammelt und präsentiert
werden, bevor dieser "Knaller" herein flatterte.
Was lehrt uns die heutige Ansichtskarte? Die Weststrasse 28 beherbergte dereinst
ein Lager und einen Laden des Consum-Vereins Senftenberg.
Das Internet liefert uns die historischen Zusammenhänge im Bezug auf Consum-,
wahlweise auch Konsum-Vereine...
Die Konsumvereine sind unter anderem ein Ergebnis der Industrialisierung, die im 19.
Jahrhundert in Deutschland stattfand. Immer mehr Arbeitskräfte zogen vom Land in die
Stadt und fanden dort schlechte Wohn- und Arbeitsverhältnisse vor. Allein in den Jahren
von 1850 bis 1870 stieg der Anteil der städtischen Bevölkerung um 16 Prozentpunkte auf
über 50%, so dass eine Versorgung mit ausreichendem Wohnraum kaum noch gewährleistet
werden konnte. Darüber hinaus bestand der noch verfügbare Wohnraum zum größten Teil
aus gesundheitsgefährdenden Kellerwohnungen, die in den seltensten Fällen über Toiletten
verfügten.
Neben zentralen Problemen wie der Wasserversorgung, waren viele Arbeitskräfte von Krämern
finanziell abhängig. Bei diesen deckten sie ihren Bedarf an Lebensmitteln und ähnlichem,
indem sie Kredite aufnahmen. Diesen Krämern wurde oft Betrug durch ungenaues Wiegen und
den Verkauf verdorbener oder minderwertiger Ware vorgeworfen. Deshalb fanden sich schon
früh Arbeiter und Handwerker zu Vereinen, Assoziationen und Genossenschaften zusammen, um
ihre Versorgungslage zu verbessern.
Charakteristisch für eine Genossenschaft ist, dass man ihr grundsätzlich jederzeit beitreten
kann und dass man die Mitgliedschaft auch wieder kündigen kann und dann das eingezahlte Geld –
wenn es nicht durch Verluste aufgezehrt ist – wieder ausgezahlt bekommt. Die Genossenschaft
ist ein gemeinschaftlich betriebener wirtschaftlicher Verein, der darauf angelegt ist,
möglichst viele Menschen mit gleichen Bedürfnissen zusammenzubringen. Im Unterschied zur
Aktiengesellschaft ist nicht Gewinnmaximierung das Gesellschaftsziel, sondern die gleichberechtigte
förderliche Entwicklung der Genossenschaft. Es geht um den gezielten Nutzen für die
Genossenschaftsmitglieder beim Konsum, also vor allem beim Einkauf.
Der Erfolg der Konsumgenossenschaften führte zu Gegenreaktionen der kleinen Einzelhändler.
Sie übten Druck auf die Großhändler und die Fabrikanten aus, damit diese nicht an die
Konsumgenossenschaften lieferten. Es kam zu Boykottkampagnen, weshalb die Konsumgenossenschaften
schließlich 1894 eine eigene Großhandelsorganisation schufen, die Großeinkaufs-Gesellschaft
Deutscher Consumvereine mbH (GEG) mit Sitz in Hamburg.
|
Verlag G. Gramsch, Dresden-N., Böhmischestr. 37. Aufnahme <= 1910 Sammlung Matthias Gleisner
Senftenberger Anzeiger (1910)
|
|
Nachfolgend einige Faksimiles aus dem Abgeänderten Statut des Konsumvereins zu Senftenberg, welche weitergehende Informationen liefern.
Das Dokument selbst ist eine Art "Standardstatut", welches auf den Senftenberger Verein angepasst wurde. Die Anpassung bestand darin, dass man
auf exakt 3 von 30 Seiten das Wort "Senftenberg" einbaute...
|
|
Bezüglich der oben angedeuteten Boykottkampagnen und Verunglimpfungen gegenüber den Konsumvereinen
können wir festhalten, dass auch der Senftenberger Verein davon nicht verschont wurde. 1906 erschien
im Senftenberger Anzeiger folgender Aufruf...
Zeitgleich klärte ein an dieselbe Zeitung eingesandter Bericht die Leserschaft über die wirtschaftliche Lage des Vereins auf:
- Senftenberg, 12. Mai. (Egs.) Seit einigen Monaten werden zu Ungunsten des hiesigen Konsum-Vereins von gewisser interessierter
Seite lügenhafte Gerüchte erfunden und verbreitet, welche geeignet sind, Mitglieder, welche mit den Verhältnissen des Vereins
wenig vertraut sind, mißtrauisch zu machen. Die Verwaltung sieht sich deshalb veranlaßt, den lügenhaften Anstrengungen, bei
welchem der Pferdefuß des eigennützigen Interesses gewisser Personen deutlich sichtbar ist, entgegenzutreten. Der Warenumsatz
in den ersten 6 Monaten des laufenden Geschäftsjahres beträgt 74.189,80 Mk., während im Vorjahr für dieselbe Zeit nur 52.677,00 Mk.
umgesetzt wurden, demnach ist der diesjährige Umsatz im ersten Halbjahr 21.512,80 Mk. höher als im Vorjahr.
In erster Linie ist der Mehrumsatz auf die Neueinführung verschiedener Waren, welche es den Genossen ermöglichen, ihren Umsatz bei
der Genossenschaft bedeutend zu erhöhen, und in zweiter Linie auf den Neubeitritt von 102 Genossen zurückzuführen. Nach der aufgestellten
Halbjahresbilanz ist der erzielte Reingewinn schon fast so hoch, als im ganzen vorigen Geschäftsjahr. Dies überaus günstige Ergebnis
ist vor allem auf unsere eigenen neuen Geschäftsräume zurückzuführen, welche es gestatten, günstige Geschäftskonjunkturen auszunutzen
und die Waren in geeigneter Weise zu lagern. Unser neues Grundstück und Geschäftshaus stand am 30. April mit 42.029,73 Mk. zu Buch
und ist in dieser Höhe bar bezahlt. Dem gegenüber stehen 21.000 Mk. Hypotheken und 9810 Mk. Hausanteile als Schulden, so daß aus flüssigen
Vereinsmitteln 11.210,73 Mk. bezahlt wurden. Ungeachtet dessen konnten wir durch Anschaffung von neuen Warengattungen das Warenlager im
Werte um ca. 15.000 Mk. erhöhen und waren trotzdem in der Lage, durch Barzahlung einen Skontogewinn für das erste Halbjahr im Betrage von
878,20 Mk. zu erzielen, während der Skontogewinn für die entsprechende Zeit des Vorjahres nur 586,02 Mk. betrug.
Aus diesen Darlegungen steht es schon nach dem Ergebnis des ersten Halbjahres fest, daß der Verein einem überaus günstigen Geschäftsabschluß
entgegensieht und die Verwaltung in der Lage sein wird, die Rückgewähr-Dividende höher als im letzten Jahre der Generalversammlung vorschlagen
zu können. Wir bitten alle unsere werten Genossen, ihrem Verein die Treue zu bewahren und sich nicht von eigennütziger Seite beeinflussen
zu lassen, welches schließlich nur zum Schaden der irregeführten Mitglieder führen kann. Es dürfte in den letzt vergangenen Jahren schon
passiert sein, daß er zu Weihnachten das Nachsehen hatte. Ueber die Richtigkeit der vorstehenden Angaben steht es jedem Mitgliede frei, sich
im Vereinskontor aus den Büchern zu überzeugen.
Leider werden wir wohl nie erfahren, wer welche "lügenhaften Gerüchte" in Umlauf brachte.
|
|
|
|
Aufnahme = 1937 Sammlung Ekkehard Kandler
|
Aufnahme = 1937 Sammlung Georg Messenbrink
|
Zweistellige Plusgrade zu Weihnachten. Eine winterliche Kulisse wie auf den beiden heutigen Abbildungen ist aller Wahrscheinlichkeit nach
in diesem Jahr nicht zu erwarten. "Weisse Weihnachten" sind in unseren Breitengraden offensichtlich ein Auslaufmodell. Naja nicht wirklich!
Blättert man den Senftenberger Anzeiger durch, so wie ich es für die möglichst genaue Datierung der zwei Fotos unlängst getan habe,
dann findet man auch schon vor 80 Jahren einen ständigen Wechsel zwischen mildem Wetter und strengem Frost zum Jahresende vor.
Während die Verortung der Motive ziemlich leicht fällt, ist meine Datierung "best guess" wie der Engländer sagen würde... Ich bin der festen
Überzeugung, dass beide Fotos gleichen zeitlichen Ursprungs sind. Der Fotograf brauchte sich eigentlich nur um 180 Grad drehen, um beide
Perspektiven vor die Kamera zu bekommen. Dunkel war es in beiden Fällen und die Schneedecke erscheint jeweils gleich. Unstrittig ist, dass
wir uns Mitte/Ende der 1930er Jahre befinden. Zwischen 1934 und 1938 um es weiter einzugrenzen. 1939 waren die Bewohner Senftenbergs bereits
zur Verdunkelung aufgerufen. Der zweite Weltkrieg war beginnend am 1. September mit dem Überfall auf Polen zwar erst 4 Monate alt, das öffentliche
Leben in Deutschland wurde aber schon komplett in den Kriegsmodus versetzt. Deshalb waren Weihnachten 1939 diese illuminierten Herrnhuter
Sterne und beleuchteten Hinweisschilder schon undenkbar.
Hinweisschild ist das Stichwort!
Ich erkenne dort Zum Weihnachtswunder in Kombination mit einer stilisierten Hand, die in Richtung Marktplatz weist. In den 1930er Jahren wurde
Senftenberg im Dezember für gewöhnlich unter ein Motto gestellt, unter dem verschiedene Aktionen und Veranstaltungen gebündelt wurden :
- 1931 - "Senftenberg im Weihnachtslicht"
- 1932 - "Senftenberger Weihnachtswunder"
- 1933 - ?
- 1934 - "Senftenberg im Weihnachtslicht"
- 1935 - "Senftenberg im Weihnachtslicht"
- 1936 - "Senftenberg im Weihnachtslicht"
- 1937 - "Weihnachtswunder in Senftenberg"
- 1938 - "Senftenberg im Weihnachtslicht"
Der Begriff Weihnachtswunder taucht in den in Frage kommenden Jahren demnach nur zweimal auf. 1932 scheidet aufgrund baulicher Gegebenheiten in der
Schlossstrasse aus. Somit bleibt eigentlich nur noch 1937 übrig!
Der Senftenberger Anzeiger berichtete im Vorfeld der Aktion:
Vorbereitungen zum Senftenberger Weihnachtsfest
Unter den Motto "Weihnachtswunder in Senftenberg" werden auch in
diesem Jahre, wie schon in den vergangenen Jahren, für unsere Stadt
umfangreiche Weihnachtsveranstaltungen vorbereitet, die die
Bevölkerung des gesamten Niederlausitzer Braunkohlen- und
Indistriegebiets auf die überragende Bedeutung unserer Heimatstadt
als Mittelpunkt des Industriegebietes hinweisen sollen.
Wie wir hierzu von der Geschäftsstelle des Wirtschafts- und
Verkehrsvereins e.V. erfahren, ist in diesem Jahr ein besonders
umfangreiches Programm für die Zeit vom 4. bis 29. Dezember
aufgesteltl worden. Als äußeres Zeichen werden wieder zahlreiche
Tannenbäume, Adventssterne und Transparente in Form von Wegweisern,
auf den Straßen, Plätzen und an den Häuserfronten in den verschiedenen
Stadtteilen ihren Lichterglanz erstrahlen lassen. Einige Konzerte,
Weihnachtsliedersingen, Bunte Abende der NSG. "Kraft durch Freude"
und andere größere Veranstaltungen werden ebenfalls im Zeichen der
Weihnachtswerbung stehen. Auch für Kinder finden Märchenspiele
an den geschäftsoffenen Sonntagen statt. Die fleißigen Rätselrater
sollen nicht zu kurz kommen. Die näheren Einzelheiten über das
ausführliche Programm berichten wir in den nächsten Tagen.
Zur Erleichterung des Verkehrs nach Senftenberg ist es dem Städtischen
Verkehrsamt gelungen, eine Reihe Verkehrserleichterungen bei der
Reichsbahn, Reichspost usw. zu erreichen.
Die Vorbereitungen zu dieser Werbeveranstaltung "Weihnachtswunder in
Senftenberg" sind abgeschlossen. Wir wollen hoffen, daß diese Veranstaltung
erfolgreich wird.
|
|
|
|
|
|
|
AK_SFB 749_1
|
von <= 1904 auf <= 1903
|
|
|
|
AK_SFB 727_1
|
von <= 1909 auf <= 1904
|
|
|
|
AK_SFB 215_1
|
von <= 1912 auf <= 1911
|
|
|
|
AK_SFB 215_2
|
von <= 1912 auf <= 1911
|
|
|
|
AK_SFB 191_1
|
von <= 1913 auf <= 1912
|
|
|
|
AK_SFB 191_2
|
von <= 1913 auf <= 1912
|
|
|
|
AK_SFB 258_1
|
von <= 1913 auf <= 1912
|
|
|
|
AK_SFB 258_2
|
von <= 1913 auf <= 1912
|
|
|
|
AK_SFB 048_1
|
von <= 1915 auf <= 1914
|
|
|
|
AK_SFB 048_2
|
von <= 1915 auf <= 1914
|
|
|
|
AK_SFB 463_1
|
von <= 1912 auf <= 1907
|
|
|
|
|
|