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Leider ist es bezüglich historischem Originalmaterial in der Chronikstube Sedlitz sehr schlecht bestellt. Im Prinzip konnte ich dort so gut wie nichts finden,
was mich bei der bildlichen Geschichtsaufarbeitung voran bringt. Und das ist angesichts der zwei Handvoll Ansichtskartenmotive aus Sedlitz, die ich zwar vor meinem
geistigen Auge habe aber derer ich noch nicht habhaft werden konnte, ziemlich schade. Wenigstens kann man sich textlich auf die 2014 erschienene Chronik Sedlitz Geschichte unseres Heimatdorfes
beziehen, wenn es um Informationen aus dem Leben der Gemeinde geht. Und diese Gelegenheit möchte ich heute bei der Vorstellung zweier neuer Ansichtskartenexemplare auch nutzen.
Beide Motive haben mit der Entwicklung des Schulwesens in Sedlitz zu tun.
Verlag: Ilse, Wohlfahrts-Ges. 6588 95 539 Aufnahme <= 1928 Sammlung Theodor Restel
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Wann der Schulunterricht in Sedlitz aufgenommen wurde, lässt sich heute nicht mehr exakt nachweisen.
Herr Liebelt, Lehrer in Sedlitz von 1896 bis 1924 und Verfasser der ersten Schulchronik, schätzt ein,
dass der Unterricht schon seit mehreren hundert Jahren erteilt wird.
Als erste Schule diente ein mit Stroh gedecktes Gebäude, das zwischen dem Gasthaus Semch und dem
ehemaligen Gemeindeamt in der Schulstraße stand. Erbaut wurde es wahrscheinlich um 1790.
Die zweite Sedlitzer Schule war in einem Gebäude in der Schulstraße 2 (erbaut 1848, später Pfarrhaus)
untergebracht und wurde bis 1902 genutzt.
1898 betrug die Schülerzahl 148. In einem Schreiben des Amtsvorstehers Brödemann an das Königliche Landesamt
zu Calau vom 15.01.1899 heißt es: "Das Klassenzimmer der jetzigen Schule ist nur 40 Quadratmeter groß. Die
148 Kinder wurden in zwei Klassen unterrichtet, das heißt in jeder Klasse 74 Kinder. Auf jedes Kind kommt
etwas mehr als ein halber Quadratmeter Platz, während das Mindestmaß 1,5 Quadratmeter betragen soll. ...
Diese Schulzustände sind eigentlich polizeiwidrig."
Da die Schülerzahl noch weiter anwuchs, beschloss man in der Gemeinde, ein neues Schulhaus zu bauen und zwar
westlich des alten Schulhauses und der Kirche. Die Anlieger Richter, Babick und Mattuschka waren mit dem
Standort nicht einverstanden und führten deswegen zwei Jahre lang einen Prozess gegen die Gemeinde, der bewirken
sollte, dass die Schule auf einem anderen Platz gebaut werden sollte. In letzter Instanz wurde die Klage
jedoch abgewiesen, und am 24. April 1901 legte man den Grundstein zum neuen Schulgebäude.
Zu dieser Zeit hatte Sedlitz 1008 Einwohner. Am 11. Oktober 1901 erfolgte die feierliche Einweihung. Da die
Schülerzahl standig wuchs (1905 bereits 250 Schüler), beschloss die Gemeinde, im Früjahr 1905 mit dem Neubau
eines zweiten Schulhauses zu beginnen. Das neue Schulhaus sollte dem im Jahre 1901 erbauten gleichen. Der
Bau wurde im Laufe des Sommers begonnen und im Herbst beendet. Am 20. März 1906 wurde das neue Schulhaus eingeweiht.
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Und genau diese Konstellation - beide Schulgebäude, wenn auch nicht identisch, dann jedoch sehr ähnlich - kann man auf der oben abgebildeten
Ansichtskarte sehen. Diese Sichtachse kennen wir schon von anderen Motiven. Insofern ist das jetzt keine Überraschung. Bei der Produktion retuschierte
man ein wenig: Die über die Straße geführten Freiluftleitungen wurden entfernt und auch das Dach des linken Schulgebäudes erscheint mir etwas manipuliert.
Möglicherweise störte hier in den Bildauschnitt hineinragendes Blattwerk, so daß man sich genötigt fühlte, nachträglich Hand anzulegen.
Weiter geht es in der Ortschronik...
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Verlag: Ilse-Wohlfahrtsgesellschaft m.b.H., Grube Ilse, N.-L. 4016 Aufnahme <= 1933 Sammlung Theodor Restel
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Zwanzig Jahre danach wurde die Schulsituation immer komplizierter. Durch die Verlegung eines Teiles der Raunoer Bevölkerung nach Sedlitz stieg
die Schülerzahl im Jahre 1926 auf 358. Langwierige Verhandlungen über einen Schulneubau wurden zwischen der Gemeinde, der Ilse Bergbau-AG und
Vertretern der Regierung in Frankfurt/Oder und des Kreissausschusses geführt. In der Schulchronik heißt es: "In den Verhandlungen über den Bau
einer neuen Schule mit der Ilse Bergbau AG ist es zu einem Abschluß gekommen. Unter dem Vorsitz des Oberregierungsrates Großpietsch von der Regierung
Frankfurt/Oder und in Anwesenheit des Oberregierungsrates Podderatz, des Schulrats Schmidt, Vertreter der Ilse Bergbau AG, des Landrates und des
Schulvorstandes wird in einer gemeinsamen Sitzung der Schulneubau beschlossen. Die Baukosten sollen anteilig von der Ilse Bergbau AG und der Gemeinde
übernommen werden."
Am 1. Oktober betrug die Schülerzahl 418, Ostern 1928 waren es 430 Schüler. Der Streit um das Schulbau-Projekt war im Sommer 1928 so weit gediehen, dass
nun doch die 14-klassige Schule gebaut werden sollte. Am 22. August 1928 erfolgte der erste Spatenstich und am 20. Oktober 1928 die feierliche
Grundsteinlegung. Die Arbeiten am Neubau erstreckten sich über das ganze Jahr 1929 bis Ostern 1930.
Die Einweihungsfeier wurde auf den 23. April 1930 festgesetzt und fand bei strahlendem Wetter statt. Der Architekt Karl Vogel, Erbauer der Schule,
überbrachte den geladenen Gästen die Grüße des Handwerks und gab seiner ganz besonderen Freude Ausdruck, dass fast alle Arbeiten von einheimischen
Handwerkern ausgeführt werden konnten.
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Eine, wie ich finde, sehr frühe Aufnahme des neuen Schulgebäudes liefert uns die zweite Ansichtskarte für heute. Im Vergleich zu der bislang einzigen
Alternativaufnahme, die ich mit <= 1936 datieren kann, fehlt hier jede Form von Baumbestand im Vorgarten der Schule und entlang der Straße. Deshalb vermute
ich, daß das Foto tatsächlich schon um 1930/31 gemacht worden sein könnte.
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