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Böse Zungen behaupten, dass die Ladeneinrichtung dieser immer noch existierenden Bäckerei genauso alt ist wie die
heutige Aufnahme.
Naja, ganz so schlimm ist es nicht und die Treppe zum Verkaufsraum ist heute auch anders.
H.E. Hoppe, Meissen 3. Aufnahme <= 1911 Sammlung Fred Förster
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Sicher ist es nicht, es spricht aber viel dafür, dass die heutige Aufnahme zeitgleich mit der von gestern gemacht wurde...
Gleicher "Herausgeber" und der Fotograf brauchte seine Kamera praktisch nur um 90 Grad nach links schwenken, um das
Motiv von AK_SFB 421_1 vor die Linse zu bekommen. Die Größe der Bäume entlang der Bahnhofstraße ist auch nahezu identisch.
Wenn dem so wäre, könnte die gestrige Karte um 5 Jahre vordatiert werden und dann existiert möglicherweise auch noch
eine Ansicht, die die Häuserfront zwischen diesen beiden Motiven zeigt. Dort befand sich nämlich auch noch ein Geschäft -
die Glaserei Raatz. Von der kann man am rechten Bildrand noch ein Stück Außenreklame erahnen.
Auch bei der heutigen Karte wird wieder nicht ganz klar, wer die eigentliche Zielperson ist. Ist es die chemische Waschanstalt
von Paul Staack, Schneidermeister Langer oder etwa die Witwe Marie Thiele, die im Tiefparterre Landbrot und Flaschenbier
verkaufte?
Senftenberger Anzeiger (1904)
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Paul Klinke, Berlin N.65, Müllerstr. 30. Aufnahme <= 1910 Sammlung Theodor Restel
1914
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Zwei Fliegen werden auf AK_SFB 420_1 mit einer Klappe, sprich mit einem Foto, erschlagen. Die Aufnahmekosten teilten sich
Theodor Caplick links und die beiden Schwestern Klara (Schneiderin) und Rosalie (Putzmacherin) Goldemann rechts.
1914
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Paul Klinke, Berlin N.65, Müllerstr. 30. Aufnahme <= 1915 Museen OSL
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Heute nun wieder eine der typischen Ansichten auf Privatpostkarten... Schuhmachermeister Emil Dahlmann in der Tür seines Geschäftes
in der Lindenstraße 22. Wer die anderen Personen sind? Wahrscheinlich große Teile der restlichen Bewohnerschaft des Hauses
(laut Einwohnerbuch 1922):
Mathilde Dahlmann, Witwe (am Fenster)
Reinhold Dahlmann, Weichensteller
Otto Lange, Oberschaffner
Walter Michael, Schaffner
Hermann Kalläue, Schaffner
ein Kind
und ein Hund
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OTTO NAUBERT, DRESDEN-N., Böhmischestr. 37. Aufnahme <= 19?? Sammlung Irene Uhlmann
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Das heutige Motiv zu bestimmen war nicht so einfach, wie es auf den ersten Blick erscheint.
Recht zügig kommt man zu der Vermutung, dass es sich um eine der drei Villen in der Bahnhofstraße handeln muß.
Schaut man sich jedoch heute vor Ort dort um, kommt diese Vermutung schnell wieder ins Wanken... die Villa sieht ja ganz
anders aus! Na gut. Nicht ganz aber doch erheblich!
Aufklärung verschafft der Blick auf eine (kommerzielle) Postkarte, nämlich diese hier...
Das rote Gebäude in der Mitte ist genau "unsere" Villa und es wird offensichtlich, das selbige in späteren Jahren massiv umgebaut,
vielleicht sogar abgetragen und neu errichtet wurde.
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Aufnahme <= 1907 Sammlung Norbert Jurk
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Als ich gestern vom ungeschönten Anblick sprach, meinte ich zum Beispiel Ansichten, wie die heutige...
Ich weiss, man soll nicht von Äußerlichkeiten auf innere Werte schliessen, aber wenn ich mir so die Fassade dieses
Lokals anschaue...
Es wird schon seinen Grund gehabt haben, warum das Lokal "Zum Deutschen Kaiser" im Volksmund auch
"Zum dreckigen Kittel" genannt wurde. Ob damit wohl die Schürze des Wirtes gemeint war?
Für all jene, die Orientierungsschwierigkeiten haben: Dieses Gebäude befand sich am Ende der Spremberger Straße, gegenüber
der Brikettfabrik "Friedrich Ernst" (später "Impuls"). Und von dort dürfte auch das Hauptklientel gleich in Arbeitskluft
( = dreckiger Kittel) gekommen sein, um am Zahltag große Teile des Lohnes zu verjubeln.
Senftenberger Anzeiger (1904)
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Aufnahme <= 19?? Sammlung Hans-Peter Rößiger
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Mit AK_SFB 415_1 öffnen wir ein neues Kapitel auf www.gruss-aus-senftenberg.de. Ich habe zwar schon einmal kurz das Thema
Privatpostkarten gestreift, nun soll jedoch die ganze Woche unter diesem Motto stehen.
Ich nenne Karten, wie die heutige, "Privatpostkarten". Ich glaube nicht, dass das der richtige Fachterminus ist,
aber ich habe noch keinen besseren gefunden. Mit diesem Begriff klassifiziere ich Postkarten, die in vglw. geringer Auflage
produziert wurden. Hergestellt wurden Sie in der Regel von regionalen oder gerne auch einmal weiter entfernten Photostudios
(Berlin, Dresden). Ich könnte mir gut vorstellen, dass es zu damaliger Zeit eine Reihe "fahrender" Photographen gab, die
durch die Lande zogen, und ihre Dienste anboten.
Bevorzugte "Opfer" waren Hausbesitzer und Geschäftsleute. Letztere konnte man ja gut bei Tageslicht in ihren Läden abpassen.
Aus diesem Grunde finden wir unter diesen Privatpostkarten auch so viele Ansichten von Geschäften, weniger nur von einfachen
Wohnhäusern. Sehr beliebt war das Postieren des Geschäftsinhabers, manchmal auch gleich mit der kompletten Familie, vor dem
Schaufenster.
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Photograph. Atelier, M. Artlich Senftenberg. Bahnhofstr. 36. Aufnahme <= 1919 Sammlung Erika Fischer
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Selbiges kann man auf der heutigen Postkarte gut erkennen. Ich müsste mich schon schwer irren, wenn das nicht Max Geissler
höchstpersönlich ist, der da nebst Gattin plus drei Sprösslingen in der Tür der Bäckerei steht.
Ein weiteres beliebtes Sujet waren Ereignisse wie zum Beispiel Einweihungen, Festumzüge oder ähnliches. Auch hier taten die
Photographen ihr Bestes, um ein Souvenir zu produzieren.
Materialtechnisch müssen wir bei diesen Privatpostkarten unterscheiden. Zum Einen gibt es eine geringe Zahl von Motiven, die
auf Karton gedruckt wurden. Aber der weitaus größere Teil ist eigentlich nicht viel mehr als ein Fotoabzug. Der Unterschied
zu einem "echten" Foto ist im Zweifel marginal. Da ist es einerseits die Größe, die in etwa eingehalten werden musste, um den
Beförderungsbestimmungen der Post nicht zu widersprechen. Zum anderen wurden viele (nicht alle!) Abzüge auf speziellem Fotopapier,
welches auf der bildabgewandten Seite bereits ein paar Linien zur Abtrennung und für die Adresse enthielt, angefertigt.
Aufgrund des verwendeten Fotopapiers sind diese Postkarten sehr viel anfälliger für Flecken und Kratzer. Noch schlimmer ist
jedoch die Gefahr des Ausbleichens, wenn die Karten nicht sachgerecht, sprich lichtgeschützt, gelagert wurden. Das macht die
Restaurierung also nicht eben leichter.
Um noch einmal auf die Auflagenhöhe zurück zu kommen... ich vermute, dass die meisten dieser Motive in einer Stückzahl <= 20
hergestellt wurden. Sollte einem ein derartiges Stück also angeboten werden, muss man im Zweifel sofort zuschlagen. Eine zweite
Chance bekommt man wahrscheinlich nicht.
Das Interessante an diesen Privatpostkarten ist die Tatsache, dass wir mit ihrer Hilfe zu einem großen Teil einen ungeschönten
Einblick in die damaligen Gegebenheiten erhalten, wie er so von den professionellen Postkartenproduzenten nicht geboten wird. Wir
können Gebäude und Personen erblicken, die nie auf einer "normalen" Ansichtskarte abgebildet wurden. Somit bekommen wir einen
unverstellten und detailreichen Eindruck der Realität fernab jeglicher Postkartenromantik.
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