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Das Thema der Woche steht fest. Es geht um das neue Senftenberger Bahnhofsgebäude. Aus heutiger Sicht ist es natürlich auch schon wieder alt. 91 Jahre
um genau zu sein und so einen wirklichen Zweck erfüllt es dieser Tage nicht mehr. Ich muss es wissen, durchquere ich doch zweimal täglich die "heiligen Hallen",
die zuweilen etwas unangenehm riechen.
Das war im April 1923 ganz anders. Der Senftenberger Anzeiger berichtete:
- Senftenberg, 7. April. Die Reichsbahndirektion Halle a.S. gibt folgendes bekannt: In der Nacht vom 9. auf den 10.April d.J. nach Abfahrt des Personenzuges
960 nach Großenhain (12,27 vorm.) wird das alte Empfangsgebäude auf Bahnhof Senftenberg für den Personen- und Gepäckverkehr geschlossen und eine Stunde vor dem
nächsten Frühzuge 942 aus Kamenz um 4 Uhr vorm. das neue Empfangsgebäude in der Güterbahnhofstraße mit dem Personentunnel als Zugang zu den Bahnstrecken dem
Verkehr übergeben. Die Ausgabe der Fahrkarten und die Abfertigung des Gepäcks erfolgt vom genannten Zeitpunkt ab im neuen Empfangsgebäude. Die frühere Zufuhrstraße
zum alten Empfangsgebäude fällt fort. Die Reisenden erreichen durch die Güterbahnhofstraße das neue Empfangsgebäude. Der Zugang zu den Zügen und der Abgang von
den Zügen erfolgt vom neuen Empfangsgebäude durch den Personentunnel über den vom westlichen Ende der verlängerten Bahnsteige neu angelegten Ueberweg. Eine
Aenderung in der Abwicklung des Zugverkehrs tritt nicht ein. Es fahren ab die Züge: von Kamenz nach Lübbenau auf Bahnsteig I, von Lübbenau nach Kamenz auf
Bahnsteig II, von Großenhain nach Cottbus auf Bahnsteig III, von und nach Zschipkau-Finsterwalde auf Bahnsteig III.
Damit endete offiziell die unverhältnismäßig lange Bauzeit. Begonnen im Jahre 1916, ruhte der Bau während des Krieges und wurde erst 1920 wieder aufgenommen. Die
Bauzeit währte also fast 7 Jahre. Sie war gehemmt durch die bekannten Zeitverhältnisse, durch Materialmangel und schwierige Beschaffung selbst der einfachsten
Bauteile.
Im Ergebnis erhielt Senftenberg ein repräsentatives und dem architektonischen Zeitgeist entsprechendes Gebäude. Nur kurz nach der Eröffnung brachte der Senftenberger
Anzeiger ein Loblied auf das Gebäude mittels Gastbeitrag eines Baukunstkritikers. Diesem Beitrag kann man neben den architektonischen Betrachtungen des
Autors auch interessante Details bzgl. der beteiligten Firmen entnehmen auf die ich mich nachfolgend vordergründig beschränke.
... Die Pläne zu dem Bau stammen von dem Hochbaudezernenten der Eisenbahndirektion Halle a.S., Regierungsbaurat Freise. Die Bauleitung war dem Vorstande
des Eisenbahn-Bauamtes Senftenberg, Regierungsbaurat Schlunk und dem Ingenieur Neumann übertragen. Es gereicht den Gewerken in Senftenberg zur Ehre, an diesem
Monumentalbau in hervorragendem Maße beteiligt zu sein.
Die Rohbauarbeiten führte die Firma Sander u. Elert aus, die restlichen Maurerarbeiten, den inneren und äußeren Putz das Baugeschäft Hommel. Die Zimmerarbeiten,
welche namentlich über der Halle sehr schwierig waren, erledigte das Baugeschäft Schneider; Tischlermeister Thiel lieferte die Tischlerarbeiten in altbewährter Güte,
Glaserei Raatz die Glaserarbeiten. Die Firma O.Altmann lieferte die inneren Einrichtungsgegenstände und Gardinen in guter moderner Ausführung.
Ein besonderes Lob verdienen die von bewährter Meisterhand der Firma Curt Schönert ausgeführten hochkünstlerischen Dekorationsmalereien in der Halle und den
Wartesälen.
Senftenberger Anzeiger (1923)
Diese Arbeiten erinnern in ihrer Farbenpracht an die besten Zeiten deutscher Innenkunst. Für die Ausmalung der Halle und des Wartesaales 3./4. Klasse war die reiche
und strenge architektonische Gliederung maßgebend. Schwieriger war die Behandlung der durch Oeffnungen verschiedener Größe zerrissenen Wandfläche im Wartesaal 1./2.
Klasse, und doch mutet der Raum an, wie eine Schöpfung aus dem Barock, das seine Räume mit verschwenderischer Farbenpracht auszustatten pflegte. Ein besonderes
Kabinettstück ist das an den Wartesal 1./2. Klasse anstoßende Nichtraucherzimmer.
Bezogen auf den letzten Absatz muss ich sagen: Leider kann ich keine farbigen Ansichten dieser so in den höchsten Tönen gelobten barocken Farbenpracht aus dem Inneren
des Bahnhofsgebäudes anbieten. Auf zweien sind zwar Innenansichten, zum Einen die Empfangshalle und zum Anderen ein Wartesaal (unkar ob der der 1./2. oder der der
3./4. Klasse), vertreten, diese machen aber zweifarbig jetzt nicht so viel her. Wobei die untere Abbildung der Zweibildkarte doch sehr schön einzelne Details sichtbar macht,
womit diese Ansichtskarte an sich zu den interessanteren ihrer Art zählt.
H. Lika, Foto-Kunstanstalt, Katscher / O.-S. O 85 Aufnahme <= 1929 Sammlung Norbert Jurk
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Verlag: Waldschmidt, Senftenberg Aufnahme <= 1939 Sammlung Fred Förster
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Photo Kunstverlag Paul Bäcker, Halle a.S. Nr.78 Bäcker Ansichtskarte Aufnahme <= 1944 Sammlung Norbert Jurk
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Mühlbachs Postkarte; Verlag: Reinhard Rothe, Meissen. R 4291 171 No. 1088 Aufnahme <= 1925 Sammlung Norbert Jurk
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Die Aussenansichten, ob nun die drei heute vorgestellten oder die vielen, die ich bislang schon präsentierte, ähneln sich leider alle. Selbst auf den
vergleichsweise zahlreichen Ansichtskartenmotiven der Nachkriegszeit, die jedoch nicht im Fokus von www.gruss-aus-senftenberg.de stehen, finden wir den
immer gleichen Blickwinkel. Da kann man ja schon von Glück reden, wenn man sich die Ansichtskarte oben rechts anschaut. Hier stellte sich der Fotograf
soweit zurück, dass er zwei weitere Gebäude auf das Bild bekam, womit das Ensemble für uns wesentlich abwechslungsreicher ausfällt.
Den oberen Teil der Zweibildkarte kennen wir schon, sowohl in unterschiedlichen manipulierten Fassungen, wie auch in der unangetasteten Version,
zumindest bezüglich eines hinein gefälschten Fahrzeugs. Die untere Abbildung ist, wie bereits oben angedeutet, der interessantere Part der Sache. Man kann
sehr schön die Bahnsteigsperre mit den verantwortlichen Kontrolleuren erkennen. Dahinter die Zugänge zu den Wartesälen (links 3./4. Klasse, rechts 1./2.
Klasse). Dazwischen ein Stand mit Reiselektüre.
Bezüglich der abgebildeten Bahnsteigsperre führte Werner Forkert aus: Die Bahnsteigsperre in der neuen Halle, welche vor den Wartesälen errichtet war,
erwies sich an dieser Stelle als ungünstig. Diejenigen welche in der Bahnhofsbuchhandlung die neuste Tageszeitung kaufen wollten, mußten zuerst eine Bahnsteigkarte
kaufen. Ebenso erging es denen die beim Abschied von Verwandten und Bekannten nicht so trocken auseinandergehen wollten und beim Bahnhofswirt einen Abschiedstrunk
nehmen wollten. Nachdem einige Einsprüche zur Änderung erfolgten, wurde daraufhin eine provisorische Bahnsteigsperre kurz vor dem Aufgang errichtet; diese
wurde nach einer Woche wieder beseitigt, weil sie an dieser Stelle verkehrshemmend wirkte. Nunmehr wurde sie im Dezember 1924 an den Anfang des Tunnels verlegt.
So gewann auch die Eingangshalle an Größe und Freundlichkeit. Über 30 Jahre verblieb die Sperre an dieser Stelle, bis sie dann beseitigt wurde.
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