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Verlag Wilh. Brückner, Senftenberg. 4639. B. Ges. gesch. 1906. Aufnahme <= 1905 Sammlung Matthias Gleisner
Morgen jährt sich zum 123. Mal ein, in gewisser Weise denkwürdiges Ereignis der Senftenberger Stadtgeschichte... An jenem 17. November des Jahres 1891 turnte ein
junger Mann namens Louis Rothe für 2 Stunden auf dem neuen spitzen Turmdach der Deutschen Kirche herum, um dort den Kirchturmknopf nebst Kreuz zu "hissen" und
den Blitzableiter anzubringen. Eigentlich sollte die Aktion bereits am 12. November stattfinden, wurde jedoch aufgrund widriger Witterungsverhältnisse abgesagt
und auf die folgende Woche verlegt. Der Senftenberger Anzeiger berichtete in der Nachschau:
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Senftenberg, 18. November. Die Aufhissung des Kirchthurmknopfes
und des Kreuzes auf die neue Thurmspitze erfolgte gestern gegen 3 Uhr
Nachmittags. Dieser äußerst schwierigen, ja lebensgefährlichen Arbeit,
welcher Viele mit banger Erwartung entgegen gesehen, hatte sich der
Klempner Louis Rothe jun. unterzogen, der mit Hilfe zweier thatkräftiger
Leute in der Zeit von ungefähr zwei Stunden in dieser schwindelnden Höhe
das Werk vollbrachte. Zur Feier selbst hatten sich Geistlichkeit, Kirchenvorstand,
Lehrerkollegium und Schulkinder, sowie eine große Anzahl Zuschauer eingefunden.
Glockengeläut, welches wir seit zwei Wochen nicht gehört, verkündete den
Beginn der Feier, Choräle gespielt von der Jetschick-Wulschner'schen
Kapelle und gesungen von der Schuljugend begleiteten die gefahrvolle
Arbeit.
...
Nachmittags gegen 1 Uhr versammelten sich vor der Oberpfarre die kirchlichen
und städtischen Behörden, sowie die Herren Lehrer nebst den Schulklassen.
Nachdem die von Herrn Oberpfarrer Hintersatz verfaßte Chronik der Parochie
seitens der kirchlichen Vertretung unterzeichnet war, wurde dieselbe nebst
verschiedenen Münzen, Tageszeitungen etc. in den Knopf gelegt und derselbe
zugelöthet. Gegen 3 Uhr bewegte sich dann der Zug unter dem Geläut der
Glocken und dem Gesang des Liedes "Eine feste Burg ist unser Gott" nebst
Begleitung der Jetschick'schen Kapelle nach dem Thurm. Dort angekommen,
wies Herr Oberpfarrer Hintersatz nach dem Gesange des Liedes "Lobe den
Herrn, den mächtigen etc." auf die Bedeutung des Tages hin, und unter
dem Geläute der Glocken wurde der Knopf sowie das Kreuz emporgezogen und
von dem Klempner Louis Rothe jun. aufgesetzt und befestigt. Gegen 5 Uhr
Uhr fand im Bittroff'schen Restaurant ein Festessen statt, wobei Herr
Oberpfarrer Hintersatz auf den Maurermeister und die Bauleute, Herr
Bürgermeister Blankenberg auf Herrn Oberpfarrer Hintersatz toasteten.
Die obere rechte Abbildung, für Besitzer des Buches "Alt-Senftenberg"
ein alter Bekannter, gibt recht gut die Situation um den 17. November 1891
wider. Dass wir hierauf die bildliche Darstellung des oben genannten
Ereignisses erhalten, schliesse ich aus. Dazu sind einige der im Bericht
beschriebenen Rahmenbedingungen nicht präsent.
Ich würde sagen, dass besagter Turmknopf (wenn man auch das Kreuz
nicht so wirklich erkennen kann) bereits an der Spitze angebracht ist,
so dass ich davon ausgehe, dass die Aufnahme nach dem 17.11.91 gemacht
wurde. Ich bin jetzt aber auch nicht der Spezialist um sagen zu können,
ob man das Kreuz vor oder nach dem Decken des Turmes anbringen würde bzw.
wie man das früher handhabte.
Auch die zweite themenbezogene Abbildung erschien in dem schon erwähnten
Buch "Alt-Senftenberg". Hierauf sehen wir unter anderem unseren "Turmkletterer"
Louis Rothe jun. (1. Reihe, 2. von links). Rechts neben ihm, mit der
Zeichnungsrolle in der Hand, steht der Maurermeister Böhmig und nebem dem
die Poliere Kerk (Großkoschen) und Braschke (Kroppen).
Senftenberger Anzeiger (1891)
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Photographisches Atelier von Herm. Meyer Senftenberg, N.-L. Aufnahme = 1891 Sammlung Isolde Rösler
Photographisches Atelier von Herm. Meyer Senftenberg, N.-L. Aufnahme = 1891 Sammlung Isolde Rösler
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In jenem Spätherbst 1891 gingen die wesentlichen Arbeiten zu Ende, die mit einer umfassenden Renovierung der Deutschen Kirche befasst waren. Das
absolvierte Bauprogramm mutet aus heutiger Sicht "sportlich" an, wenn man sich einmal den Zeitplan vor Augen hält...
Am 4. Februar 1891 wurde auf einer Sitzung des Gemeinde-Kirchenraths und der Kirchgemeinde-Vertretung einstimmig beschlossen, daß die
hiesige deutsche Kirche nicht nur im Innern völlig ausgebaut und erneuert wird, sondern auch neue Fenster mit Glasmalerei, eine neue Orgel und
endlich auch der Thurm die schon längst fällige Thurmspitze erhält. Die Arbeiten zu diesem für unseren Ort so wichtigen Vorhaben werden in
möglichster Schnelle vorgenommen und mit allem Eifer ihrem Ende entgegengeführt.. Soweit der Senftenberger Anzeiger, der am 28. Mai 1891
vermeldete, dass die Vorverhandlungen soweit abgeschlossen seien, dass in der folgenden Woche mit den Arbeiten begonnen werden könne. Die Leitung
des Baus wurde dem Architekten Zietz aus Eutin übertragen, der dazu bereits in Senftenberg eingetroffen sei. Man avisierte den 1. November als
Endtermin. Wie man den Faksimiles oben entnehmen kann, wurden erst Anfang August und danach nochmals Ende September Ausschreibungen veröffentlicht,
auf die sich die hiesigen Unternehmen bewerben konnten. Bis dahin lief also bezüglich dieser Gewerke nicht allzuviel. In den folgenden zwei Monaten
muss es dann Schlag auf Schlag gegangen sein. Am 11. November 1891 zieht der Senftenberger Anzeiger so etwas wie ein Resümee an dessen
Ende die Ankündigung besagter Aufbringung von Turmknopf und Kreuz am Folgetag steht. Wie weiter oben dargestellt, musste diese jedoch um einige
Tage verschoben werden...
Senftenberg, 11.November. Unsere deutsche Kirche,
welche im Jahre 1690 zum letzten Male renovirt wurde, hat in
diesem Jahre ein neues Gewand bekommen. Unter der Leitung
unseres verehrten Herrn Oberpredigers Hintersatz, sowie des
Architecten Herrn Zietz und der kirchlichen Baucommission ist
der Bau der Kirche, sowie auch des Thurmes seiner Vollendung
nahe, so daß wohl Weihnachten d.J. das Wort der heiligen
Schrift in den Hallen der Kirche erklingen wird. Das Innere
der Kirche selbst ist durch Malerei, sowie durch den Neubau
von Emporen, Orgelchor, dem prachtvoll geschnitzten Altar und
der in Aufstellung begriffenen neuen Orgel von der berühmten
Firma Schlag & Söhne in Schweidnitz in Schl. dem gothischen
Styl angepaßt. Die bisherigen Fenster haben den prachtvollen
Fenstern aus der königl. sächs. Hofglasmalerei von Türk & Co.
aus Zittau weichen müssen; ein Hauptwerk der Glasmalerei
bietet nämlich das Altar-Fenster, wo unser Heiland in Lebensgröße
mit dem Spruch Matth. 11, V. 28 dargestellt ist.
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Die frühere Sakristei ist einem im gothischen Style enthaltenen
Bau gewichen. Der bisherige Aufgang nach den früheren Emporen
findet nicht mehr in der Kirche selbst, sondern durch in Rohbau
aufgeführte Aufgänge von außerhalb nach den neuen Emporen in das
Innere der Kirche statt. Die bisherige Kanzel in ihrer prachtvollen
Schnitzerei, ein Meisterwerk des 16. Jahrhunderts, ist erhalten
geblieben und wird renovirt. Ferner erhält die Kirche Luftheizung,
es ist dieses wohl die erste derartige Anlage in der Niederlausitz;
auch soll der Thurm eine Uhr mit 4 Zifferblättern erhalten.
Morgen, Donnerstag, findet nun der erste feierliche Akt, nämlich
die Aufbringung des vergoldeten Knopfes und Kreuzes, sowie des
Blitzableiters auf den Kaiserstuhl des Thurmes statt. Die
Feierlichkeit beginnt nachmittag 1 Uhr und versammeln sich zu
dieser Zeit die kirchliche Gemeinde-Vertretung sowie der Gemeinde-
Kirchenrath etc. vor der Oberpfarre, von wo sich der Zug unter
dem Geläut sämmtlicher Glocken vor die Kirche begiebt, wo nach
Abhaltung einer Ansprache seitens des Herrn Oberpfarrer Hintersatz
und Absingen eines Chorals seitens der Schuljugend und Musikbegleitung
mit der Aufhissung des Knopfes etc. begonnen wird.
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Zu guter letzt noch einige Anmerkungen zu den beiden restlichen Abbildungen: Ganz oben eine
kommerzielle Ansichtskarte aus einer Serie von mindestens drei Motiven. Weitere Exemplare
mit diesem vergleichsweise ungewöhnlichen Design, stellte ich bereits in der Vergangenheit vor.
Zudem ist das Senftenberger Motiv auch schon in der dritten Inkarnation zu sehen. Im direkten
Vergleich erkennt man, dass im heutigen Fall die Anzahl der Marktbesucher abgenommen hat -
ein relativ eindeutiges Indiz dafür, dass die gesamte Darstellung stark fantasiebehaftet ist.
Die vierte Abbildung mit dem Turm der Deutschen Kirche stammt von einer ziemlich kleinformatigen
Fotografie, welche nicht exakt datierbar ist. Da beide Dächer noch intakt sind, muss die Aufnahme
vor Kriegsende gemacht worden sein. Danach sah das Gotteshaus so aus, wie auf nachfolgender
Fotografie. Hier schon mit einem Notdach für das Kirchenschiff.
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Aufnahme <= 1945 Sammlung Georg Messenbrink
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AK_SFB 792_1
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von <= 19?? auf = 1934
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