Viktoria II, eins der ältesten Bergwerke
Dicht nördlich Senftenberg, hart an der Straße nach Spremberg,
liegt eine unserer ältesten Brikettfabriken, die heute den
Niederlausitzer Kohlenwerken, Berlin gehört: die Grube Viktoria II.
Es mögen mehr als 60 Jahre her sein, daß diese Anlage entstanden
ist. Wenn auch in den Urkunden nichts Genaues zu finden ist, so
steht doch fest, daß man etwa im Jahre 1865 mit dem Auffahren
eines langen Stollens durch den Raunoer Berg begonnen hat. Bald
darauf - zu Beginn der 70er Jahre - wird der Bau der Brikettfabrik
in den Akten des Bergrevierbeamten in Cottbus erwähnt. Die Inhaber
des Werkes haben mehrfach gewechselt. Der erste Besitzer war ein
Bankdirektor Adolf Henckel. Etwa 1875 ging das Werk über an die
Aktiengesellschaft für Grundbesitz und Hypothekenverkehr, Berlin.
In das Jahr 1901 fällt die Gründung der Elzer Grubengewerkschaft,
und seit dem Jahre 1910 gehört die Grube unter dem Namen "Viktoria II"
den Niederlausitzer Kohlenwerken.
Aus kleinen Anfängen ist in der Zeit seit 1865 eine bedeutende
Fabrikanlage entstanden, die über eine elektrische Zentrale von
840 Kilowatt, neuzeitliche Werkstätten und Magazine verfügt.
Während sich früher der Abbau auf die Grubenfelder östlich
und südlich des Dorfes Rauno erstreckte, hat sich in den letzten Jahren
das Schwergewicht der Kohlengewinnung nach Westen verschoben. Der heutige
Tagebau befindet sich zwischen der Grube Bertha und der Chaussee
Senftenberg-Gr.Räschen. Der Abraumbetrieb verfügt über einen Lübecker
B-Bagger, der vor kurzem für elektrischen Betrieb eingerichtet ist,
sowie über zwei Dampf-Löffelbagger. Moderne starke Abraumlokomotiven
übernehmen den Abtransport des Baggermaterials nach den Kippen östlich
des Dorfes Rauno. In der Grube ist die völlige Elektrifizierung des
Betriebes durchgeführt. Die Kohlengewinnung übernimmt ein elektrischer
Lübecker B-Bagger sowie ein elektrischer Löffelbagger. An die Stelle
der Kettenförderung ist mit Beginn des Jahres eine moderne Lokomotivförderung
getreten. Die Eigenart der Verhältnisse hat einen ganz besonderen Lokomotivtyp
verlangt.
|

Verlag: G.R.Ziethe, Senftenberg, N.-L. Aufnahme <= 1923 Sammlung Theodor Restel
Verlag: Wilhelm Brückner, Buchdruckerei u. Papierhandlung, Senftenberg, N.-L. Aufnahme <= 19?? Sammlung Matthias Gleisner
|
Es sind gedrängt gebaute Grubenlokomotiven, die mit Gleichstrom
von 550 Volt Spannung betrieben werden. Der in der elektrischen Zentrale
erzeugte Drehstrom von 3000 Volt Spannung wird durch eine besondere
Umformeranlage in Gleichstrom umgeformt. Die Lokomotiven sind mit zwei
Motoren zu je 31 P.S. ausgerüstet und fahren mit acht Wagen zu je 7,5
Kubikmeter Inhalt.
Man war aus wirtschaftlichen Gründen gezwungen, diese kleine Dimension
zu wählen, weil man für diese Förderanlage wieder den gemauerten Stollen
durch den Raunoer Berg benutzen wollte. Die Bahnstrecke ist 3600 Meter lang,
davon sind etwa 2000 Meter unter Tage geführt. Die tägliche Produktion des
Werkes ist in den letzten Jahren von 48 auf 65 Doppelwagen gestiegen. In
den beiden Fabriken I und II, die von einem gemeinsamen Naßdienst versorgt
werden, arbeiten zehn einfache und eine Doppelpresse. In den Kesselhäusern
sind neben zehn Flammrohrkesseln drei neuzeitliche Garbekessel mit
Muldenroststeuerungen im Betriebe.
Als Nebenbetrieb besteht noch eine Ziegelei mit einer jährlichen
Produktion von 2 ½ Millionen Steinen.
Soweit der Niederlausitzer Braunkohlenbergmann im Dezember 1926. Nachfolgend
ein Foto eines der oben beschriebenen Spezialzüge der Grube Viktoria II vor dem
Mundloch des 2000 Meter langen Stollentunnels.
Was der Schreiber des Zeitungsartikels damals noch nicht ahnen konnte: Die
Brikettfabrik "Viktoria II", die nach dem 2. Weltkrieg den Namen "Morgenrot" trug,
wurde tatsächlich zur ältesten Fabrik im Niederlausitzer Revier. Sie ging
erst am 29. Mai 1986, nach 114 !!! Jahren außer Betrieb. Insofern kann man die
Überschrift des Zeitungsbeitrags schon fast als Prophezeiung bezeichnen.
Besagten Artikel habe ich natürlich nur aus einem Grund verwendet: Zur "Untermalung"
des ersten Ansichtskartenmotivs. Dieses führt uns in die Zeit wenige Jahre vor
Erscheinen des Textes. Wir sehen die Brikettfabrik "Viktoria II" aus Richtung
Süd-Westen zu Beginn der 1920er Jahre.
|
Auf nebenstehendem zeitgenössischem Lageplan habe ich die Blickrichtung mittels blauem Pfeil verdeutlicht.
Die beiden Schornsteine, die man auf dem Ansichtskartenmotiv im Hintergrund sehen kann, gehörten zur
Brikettfabrik Marie I oder Matador, die sich beide in kurzer Distanz zu Viktoria II befanden.
Was uns zu den nächsten Ansichtskarten bringt.
Zunächst möchte ich aber noch auf die oben zusätzlich eingeordnete Ansichtskarte mit Tagebaumotiv
eingehen. Aufgrund der gleichen (Schrift-)Gestaltung könnte man vermuten, daß die beiden Karten einer
Serie angehören und das die untere vielleicht sogar den Tagebau Viktoria II darstellt. Die
unterschiedlichen Hersteller machen diese Theorie teilweise zunichte. Zudem gibt es eine Variante dieses
Tagebaumotivs auf der uns der Blick als der in die Grube Marga bezeichnet wird.
Letztlich bestanden oberflächlich betrachtet nur geringe Unterschiede zwischen den einzelnen Gruben, wie
uns ein echter Blick in die Grube Viktoria II offenbart...
|
Ausschnitt aus Meßtischblatt 2545, ca. 1920
|
Aber nun wie angedeutet zurück zu den anderen beiden Brikettfabriken. Zum Zeitpunkt der folgende Aufnahme
liefen diese jeweils noch unter Reschke'sche Kohlenwerke bzw. Anhaltische Kohlenwerke.
Das Ansichtskartenmotiv ist ein alter Bekannter. Im Vergleich mit der ersten archivierten Version treten
einige Unterschiede zu Tage: Erstens die Farbgebung, zweitens der nunmehr tatsächlich als solcher erkennbare
Himmel und drittens der prominente Aufdruck Glück auf!.
Letzteren finden wir in nahezu identischer Form auch auf der dritten Inkarnation des Motivs. Auch wenn
es den meisten nicht gleich auffällt, aber die Zeichnung beruht in der Tat auf derselben Fotografie.
Die Gestaltung der Ansichtskarte gewinnt aber durch zusätzliche grafische Objekte wie den Bergmann und das
Eichenlaub noch einmal an Ausstrahlung.
Senftenberger Anzeiger (1900)
|
Verlag von G.R. Ziethe, Senftenberg. 8367 Aufnahme <= 1899 Sammlung Theodor Restel
Verlag v. G.R. Ziethe, Senftenberg No.1527 Aufnahme <= 1899 Sammlung Fred Förster
|