NeueresÄlteres
237 236 235 234 233 232 231 230 229 228 ♦ 227 ♦ 226 225 224 223 222 221 220 219 218 217 216 215 
640  600  550  500  450  400  350  300  250  200  150  100  50  1  

Bevor ich mich zum heutigen Thema lang und breit auslasse, möchte ich mit einer relativ seltenen Gelegenheit beginnen. Dies gilt zumindest für den oberen Teil der rechts abgebildeten Zweibildkarte. Während wir Blicke in den Tagebau schon zur Genüge kennen, war eine Ansicht der Brikettfabrik "Meurostolln" hingegen bisher eher
selten anzutreffen. Die von mir verwendete stilisierte Ansicht der selben Fabrik aus den 1920er Jahren stellt das Ganze aus einer ähnlichen Perspektive dar, nimmt sich jedoch einige künstlerische Freiheiten heraus.
Zudem erkennt man hierauf schon links den Rohkohlebunker, der erst Anfang der 20er errichtet wurde und natürlich auf der Postkarte vom Beginn des Jahrhunderts nicht enthalten sein kann.

Brikettfabriken hatte ich in der Vergangenheit bereits des Öfteren am Wickel. Und auch das heutige Thema

der Woche tauchte teilweise in den letzten 4 Jahren hier hin und wieder auf. Aber was soll's? Das Bild- und Textmaterial flattert mir nun einmal nicht immer passend ins Haus. Ein Thema erschöpfend und vollumfänglich abzuhandeln, fällt demzufolge schwer. Und seien wir mal ehrlich! Es macht ja auch den Reiz des Ganzen aus, daß selbst nach Jahren immer wieder neues (altes) Material ans Tageslicht gefördert wird. Und dann im besten Fall auf meinem Tisch landet!
Senftenberg
Photogr. u. Verlag
C. Heinr. Mittmann, Senftenberg N.-L.
Aufnahme <= 1909
Sammlung Detlef Krumm

Das Feuerlöschwesen im Niederlausitzer Bergbaubezirk

aus: "Der Niederlausitzer Braunkohlenbergmann" (1926)

In jedem Braunkohlenrevier, wie z.B. in der Niederlausitz, dem größten Revier in ganz Mitteldeutschland, muß der Bekämpfung von Bränden ganz besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden. Diese Brände werden, abgesehen von den durch besondere Umstände hervorgerufenen Gebäudebränden, meistens dadurch verursacht, daß namentlich in der heißen Jahreszeit die freigelegte und ausgetrocknete Kohle durch irgendwelche Ursachen, wie Funkenflug oder Unachtsamkeit in Brand gerät. Hiergegen suchen sich bekanntlich die Werke zu schützen durch umfangreiche Wasserrohranlagen, aus denen sofort irgendein auf der Kohlenoberfläche entstandener Brand gelöscht werden kann. Nimmt jedoch der Brand durch Wind oder Sturm eine größere Ausdehnung an, genügen die zur Berieselung vorhandenen Wasserleitungen nicht, so ist es unbedingt notwendig, sofort durch Feuerlöschmittel den Brand niederzukämpfen, um einen Stillstand in der Kohlengewinnung und somit einen Produktionsausfall zu vermeiden.
In der Niederlausitz, im Bereich des Bergbauvereins, beschaffte man zunächst zum Feuerlöschen eine Dampfspritze, die vom Jahre 1906 bis zum Jahre 1920 mit sehr gutem Erfolge im Betrieb war, jedoch mit der Zeit wegen dauernder Reparaturbedürftigkeit und zu langsamer Dampf- und Druckentwicklung bei den immer umfangreicheren Tagebauanlagen nicht mehr genügte.
Es lag daher nahe, diese alte Dampfspritze durch moderne Motorspritzen zu ersetzen, die bekanntlich in kürzester Zeit betriebsfähig sind. Im Jahre 1920 beschlossen diejenigen der beim Niederlausitzer Bergbauverein in einer Spritzengemeinschaft zusammengeschlossenen Braunkohlenwerke die Anschaffung einer vierrädrigen Motorfeuerspritze, die von der Fa. Koebe in Luckenwalde geliefert wurde und erstmalig als Modell "Bergbau" mit einer Leistung von 1200 Liter pro Minute bei 6 Atm. Druck in Anwendung kam. Die Zentrifugalpumpe dieser Spritze war mit dem vierzylindrigen Motor (13/40 PS N.U.S.) direkt gekuppelt, wobei die Saugvorrichtung durch eine Handpumpe getätigt wurde. Diese Spritze bewährte sich, bereits am Tage ihrer Abnahme zur Bekämpfung eines Tagebaubrandes auf Grube Henriette ausprobiert, aufs beste, so daß die Spritzengemeinschaft auf Vorschlag ihrer technischen Kommission im folgenden Jahre die Anschaffung einer zweiten vierrädrigen Motorspritze, ebenfalls Modell "Bergbau", von der Firma Koebe in Luckenwalde um so mehr beschloß, als sich herausstellte, daß in der heißen Jahreszeit in dem augedehnten Revier mit 45 Werken eine Spritze allein bei weitem nicht ausreichte. Als Vorteil gegenüber der ersten Spritze hat die zweite vor allem die automatisch (selbsttätig) wirkende Ansaugervorrichtung aufzuweisen. Beide Spritzen haben eine Leistung von je 1200 Liter pro Minute oder 1400 Liter bei freiem Auslauf.
Es kam das Jahr 1922 mit seinen zahlreichen Tagebaubränden, mit jener Schreckenswoche im Juli, wo es auf einem halben Dutzend Gruben allein im Senftenberger Revier brannte, die beiden Motorspritzen allein bei weitem nicht ausreichten und man sogar die Berliner und Dresdener Feuerwehr zu Hilfe rufen mußte.

Der Senftenberger Anzeiger meldete am 7.Juli 1922 dazu, daß infolge der tropischen Hitze (das Thermometer zeigte gestern 42 Grad) die Tagebauten der Grube Bertha und Grube Friedrich Ernst in Brand geraten seien. Auch Grube Heye soll in Brand stehen. Ebenso gelangten auch Mitteilungen über Grubenbrände bei Dobristroh nach hier.
Am 11. Juli berichtete die selbe Zeitung daß das Feuer, das vor einigen Tagen durch Selbstentzündung von Braunkohlenstaub auf dem Tagebau der Grube Marie III der Braunkohlengesellschaft Ilse zum Ausbruch gekommen ist, dadurch eine außerordentlich große Ausdehnung erfahren hat , daß ein einsetzender Wirbelsturm die glimmenden Teile des an und für sich ungefährlichen Entzündungsherdes angefacht und auf andere Gruben übertragen hat. Der Tagebau Marie III brannte in seiner vollen Ausdehnung auf 1 Kilometer Länge und 500 Meter Breite. Hier kamen die bereits erwähnten Wehren aus Berlin und Dresden zum Einsatz.

Senftenberg
40601
Verlag: A.Agotz, Dresden,
Pfotenhauerstr.27
Aufnahme = 07.1921
Sammlung Kurt Thiel

In jenem Juli 1922 wurde der Tagebau "Meurostolln" nicht in Mitleidenschaft gezogen. Ihn erwischte es ein Jahr zuvor:

- Senftenberg, 21.Juli. Das Emporsteigen gewaltiger Rauchschwaden kündete gestern nachmittags bei dem starken Sturm einen größeren Grubenbrand an, und bald darauf ertönte der Feueralarm. Der Tagebau der Grube Meurostollen, unweit des Wasserturmes, war durch Abbröckeln größerer, glimmender Kohlenmassen in Brand geraten. Die Motorspritze und die Feuerwehren der umliegenden Ortschaften waren bald zur Stelle und trotz aller Bemühungen ist es bisher noch nicht gelungen, Herr des gewaltigen Elementes zu werden. Alle umliegenden Bewohner hatten sehr unter dem ausströmenden Rauch zu leiden. Ebenso war der Tagebau der Grube der Anhaltischen Kohlenwerke in Brand geraten. Die Rettungsarbeiten gestalten sich auch dort sehr schwierig. Größere Dimensionen nahmen die Brände infolge des herrschenden Sturmes an.

Obwohl die abgebildete Ansichtskarte keinen Datumsvermerk trägt und auch postalisch nicht gelaufen ist, gehe ich fest davon aus, daß wir uns bildlich genau im Juli 1921 befinden. Im Artikel des Senftenberger Anzeigers ist ja von der direkten Nähe zum Wasserturm die Rede und diesen kann man am oberen Bildrand erkennen.

Hierdurch gewitzigt, beschloß der Spritzenverband, seinen Spritzenpark durch Anschaffung von zwei weiteren Motorspritzen und Verdoppelung des Schlauchmaterials so zu vergrößern, daß er auch bei gleichzeitigen Bränden auf mehreren Werken eingreifen konnte. Da die Motorspritzen fast immer auf die Tagebausohle herabgelassen werden müssen, entschloß man sich, von den vierrädrigen Spritzen abzugehen und leichtbeweglichere, zweirädrige Spritzen anzuschaffen, jedoch von möglichst gleicher Leistung, wie die beiden ersten vierrädrigen.

Abseilen einer zweirädrigen Motorspritze in einen Tagebau

Diese von der Firma Flader in Jöhstadt i. Sa. gelieferten kleinen zweirädrigen Motorspritzen, Normalleistung 1100 Liter bei 5 Atm., haben sich im Laufe der Zeit derartig gut bewährt, daß auch eine ganze Reihe anderer Werke eine Spritze dieser Firma sich anschaffte (Anhaltische Kohlenwerke, Grube Viktoria III, Grube Meurostolln, Grube Waidmannsheil, Grube Hansa usw.).
Durch Anschaffung eines Schnellastkraftwagens (Magirus 1½-2 To.) ist der Spritzenverband des Bergbauvereins augenblicklich in der Lage, sofort mit zwei angehängten Spritzen und einigen 1000 Metern Schlauch einen Brand zu bekämpfen. Das in den Motorspritzen- und Schlauchpark hineingesteckte Kapital von rund 85000 Mark hat sich im Laufe der Zeit bei den zahlreichen Bränden bestens rentiert, den Werken größeren Produktionsausfall und der Belegschaft Lohnausfälle erspart.

Mit vier Motorspritzen, einem Schnellastkraftwagen und ca. 8000 Meter Schlauch marschiert der Spritzenverband hinsichtlich seiner Feuerbekämpfungsmöglichkeit an der Spitze im mitteldeutschen Braunkohlenbergbau.
Nun wird mancher berechtigt fragen: Wer bedient denn die Spritzen? Ursprünglich auf die gesamte Mannschaft der Freiwilligen Feuerwehr Senftenberg angewiesen, ging man später dazu über, einen besonderen Motorspritzenlöschzug beim Niederlausitzer Bergbauverein e.V. zu bilden, der sich aus Mitgliedern der Freiwilligen Feuerwehr Senftenberg zusammensetzt und 28 Mann stark ist; für jede Motorspritze sieben Mann. Der Führer dieses Motorspritzenlöschzuges, Brandmeister Schülke - Senftenberg, hat es in jahrelanger unermüdlicher Tätigkeit verstanden, den Mannschaften des Zuges eine derartig spezielle Ausbildung zuteil werden zu lassen, daß in jeder Hinsicht ruhig behauptet werden kann: es ist nichts versäumt.

Senftenberg
Aufnahme = 1924
Sammlung Matthias Gleisner
(Schenkung B.Neitzel)

Die vier Abteilungen des Motorspritzenlöschzuges, der seine kleidsame Dienstuniform vom Spritzenverband erhielt, bestehen aus je einem Maschinisten, je drei Strahlrohrführern und je drei Mann Schlauchbedienung, während sich die Leitung aus dem Brandmeister, seinem Stellvertreter und zwei stellvertretenden Führern zusammensetzt.
Es kann wohl unbedenklich behauptet werden, daß die Braunkohlenwerke der Niederlausitz mit dem hier näher geschilderten modern ausgerüsteten Motorspritzenpark der Spritzengemeinschaft beim Niederlausitzer Bergbauverein E.V. Senftenberg sowie mit den auf einer ganzen Reihe von Werken in den letzten Jahren angeschafften Motorspritzen und eigenen Werksfeuerwehren vollkommen gegen Grubenbrände gerüstet sind, auch wenn sie, wie 1922, mit besonderer Heftigkeit und so zahlreich und gleichzeitig wie damals auftreten sollten.

Doch nicht nur Feuer war und ist der Feind der Bergleute. Auch ungezügelte Wassermassen, die sich wolkenbruchartig in die offene Grube ergiessen, riefen die wackeren Kameraden der Feuerwehr auf den Plan. In solchen Fällen pumpten sie nicht das Wasser in die Grube hinein, sondern hinaus. Die verwendete Technik war dieselbe! Ein weiterer Bericht aus dem Niederlausitzer Braunkohlenbergmann liefert die textliche Untermalung. Und auch diesmal ist wieder von "Meurostolln" die Rede...

Verhängnisvolle Folgen von wolkenbruchartigem Gewitterregen im Braunkohlenbergbau

Von Diplom-Ingenieur Steffens, Niederl. Bergb.-Verein E.V. in "Der Niederlausitzer Braunkohlenbergmann" (1926)

Kaum sind die aus allen Teilen unseres Reviers einlaufenden Nachrichten über das Hochwasser sämtlicher Flußläufe und die hierdurch verursachten Ueberschwemmungsschäden vorüber, als von neuem Unheil berichtet werden muß. Durch das mit elementarischer Gewalt am 5. Juli eintretende Gewitter mit wolkenbruchartigem Regen ist nicht nur ein großer Stadtteil von Senftenberg II schwer heimgesucht worden, sondern es wurde vor allen Dingen auch der Abraumbetrieb, der für die beiden Gruben "Meurostolln" und "Elisabethglück" gemeinsam die für die Fabriken nötige Kohle liefert, ganz besonders schwer von dem Unwetter heimgesucht.
Am Abend des 5. Juli vermochten durch die gewaltigen herniedergehenden Wassermengen die Klärbassins den ungeheuer großen Wasserzulauf nicht mehr zu fassen, trotzdem sie erst in großem Ausmaße vor kurzem ganz modern angelegt waren. Gewaltige Wassermengen brachen über den Rand des Bassins und stürzten, alles mit sich reißend, auf die Sohle des Tagebaues und von dort in einen mehrere hundert Meter langen Wasserhaltungsstollen, in dem eine größere Pumpstation mit Maschinenraum vorhanden war. Während es einem Teil der mit der Wasserhaltung beschäftigten Belegschaft gelang, sich in Sicherheit zu bringen, war es zwei Mann der Bedienungsmannschaft in dem eben genannten Maschinenraum wegen der Länge des Weges nicht mehr möglich, das Freie zu gewinnen, da der Stollen außerdem in kurzer Zeit bis unter die Firste unter Wasser stand. Sofort ging die Werksleitung daran, die zum Teil ersoffene Wasserhaltung wieder in Betrieb zu nehmen und vor allem die in Not befindlichen Kameraden zu befreien. Die Verbindung mit letzteren ließ allerdings nicht ab, da es möglich war, durch ein zirka 70 Meter tiefes Bohrloch ihnen Nahrungsmittel und Nachrichten zukommen zu lassen.
Zunächst wurde die Motorspritze der Grube "Meurostolln" und daraufhin in den ersten Vormittagsstunden des 6. Juli zwei Spritzen der Spritzengemeinschaft des Niederlausitzer Bergbauvereins in Tätigkeit gesetzt, denen es wenigstens gelang, den Wasserspiegel zu halten. Naturgemäß war, da diese drei Spritzen nur 3½ Kubikmeter in der Minute leisten konnten, an eine Sümpfung des Stollens nicht zu denken, und so ging die Werksleitung dazu über, während in der Zwischenzeit ein Damm vor dem Stollen aufgeschüttet war zur Vermeidung weiterer Wassereinbrüche aus dem Tagebau in den Stollen, eine Pumpe zur Verstärkung der Spritzen aufzustellen. Durch ununterbrochenen Pumpenbetrieb gelang es, den Stollen soweit zu sümpfen und die Wasser- und die Pumpstation soweit freizumachen, daß die dort eingeschlossenen beiden Pumpenwärter, die zu den ältesten Belegschaftsmitgliedern der Grube "Meurostolln" gehören, in der Nacht des 6. Juli wieder ans Tageslicht gelangen konnten.
Aus vorstehendem kurzen Bericht, der keineswegs die Vorgänge erschöpfend wiedergeben kann, ist wiederum deutlich ersichtlich, wie wenig mennschliche Erfindungen, Maschinen usw. zunächst imstande sind, Naturgewalten, wie sie in letzter Zeit durch häufige wolkenbruchartige Regenmassen in die Erscheinung getreten sind, zu bekämpfen, und wie überaus schnell im Bergbau Gefährdungen des Betriebes und Menschenleben eintreten können. Gegen Naturgewalten ist der Mensch nach wie vor, wenigstens zunächst, hilflos.

Aufgrund des obigen Faksimiles aus dem Niederlausitzer Braunkohlenbergmann können wir nachfolgende Fotopostkarte nicht nur sehr gut datieren. Nein, es gelingt uns in gewisser Weise sogar die Ansicht halbwegs zu verorten. Etwas, das bei diesen Tagebau- Motiven in der Regel schwer bis unmöglich ist. Auf beiden Abbildungen ist nämlich die selbe Pumpstation zu sehen. Nur aus gegenüberliegenden Perspektiven. Selbst die abgebildeten Personen stimmen überein!

Senftenberg
Aufnahme = 07.1926
Sammlung Fred Förster
Der Absender der Karte vermerkte im umseitigen Gruß an die Tochter Ilse in Leipzig:

Bei uns war große Überschwemmung (Wolkenbruch). Nachher Rutschung, die Karte ist hiervon. Ob er persönlich abgebildet ist, geht aus dem vollständigen Text leider nicht hervor.

Senftenberg
AK_Bgb 034_1
von <= 1935 auf <= 1934