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Wann immer Grube Marga in der Vergangenheit auf www.gruss-aus-senftenberg.de thematisiert wurde, drehte es sich dabei mehrheitlich um
Ansichtskartenmotive aus dem "klassischen" Teil des Ortes. Also Motive aus der Kolonie Marga, die nach Entwürfen des Dresdener Architekten Georg
Heinsius von Mayenburg zwischen 1907 und 1914 errichtet wurde.
Wir wissen jedoch alle, dass "Marga" nicht nur aus diesem im wesentlichen kreisförmig angelegten Terrain besteht. Durch den zunehmenden Bedarf an
Arbeitskräften, sowohl im Tagebau und der Fabrik Marga, wie auch in anschließenden Werken, wie Viktoria 3 bei Naundorf (heute Schwarzheide-Ost) geriet
das Wohnraumangebot sehr schnell an seine Belastungsgrenze.
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So wurden nach dem Ende des 1. Weltkriegs, beginnend Anfang der 1920er
Jahre im Süden und Südwesten der Kolonie weiträumige Flächen für den
Bau zusätzlicher Wohnhäuser in Anspruch genommen. Hier entstanden sogenannte
"Bergmannsheimstätten", die die Namen "Elstersiedlung" und "Hauersiedlung"
trugen. In beiden Bezeichnungen findet man den Bezug zu einem Straßennamen,
wobei unklar ist, wer nun der initiale Namensgeber war. Wurde die
Siedlung nach der Straße benannt oder umgekehrt?
Architektonisch machen die dort errichteten Gebäude weit weniger
her, als die Wohnhäuser der Kolonie. Einerseits hatte sich der Zeitgeschmack
gewandelt und andererseits stand auch einfach nicht genügend Kapital
zur Verfügung um mit individualistischen Lösungen im Stile Mayenburgs
fortzufahren.
Stattdessen stammten die Entwürfe für die Siedlungshäuser nunmehr von
Ewald Kleffel, der rechten Vor-Ort-Hand Mayenburgs.
Der Niederlausitzer Braunkohlenbergmann veröffentlichte zum
25. Betriebsjubiläum Kleffels im Jahr 1929 eine Notiz...
Vom Beginn seiner Tätigkeit bei der Ilse am 1. Dezember 1904 bis zum
Jahre 1907 hatte Herr Kleffel als Bauführer die Leitung des Baubüros
Ilse für die Werke Ilse, Renate-Eva und Anna-Mathilde inne. Der nach
Beginn des Aufschlusses des Bergwerkes Marga notwendig werdende Bau
der Kolonie Marga einschl. der Kirche wurde nach den Entwürfen des
Architekten Mayenburg, Dresden von Herrn Kleffel durchgeführt. Der
Jubilar übernahm alsdann, im Jahre 1908 mit seiner Übersiedlung nach
Marga die Bauleitung für dieses Werk, und nach Beginn der Aufschlußarbeiten
im Jahre 1915 dieselbe Tätigkeit auch für das Bergwerk Erika. Die
Kolonie Erika wurde alsdann nach seinen Entwürfen von ihm selbständig erbaut,
wobei insbesondere der Schule Erika zu gedenken ist,
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Ewald Kleffel (1878 - 1952)
Verlag Rudolf Liess, Grube Marga, N.-L. Aufnahme <= 1940 Sammlung Norbert Jurk
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die als eine der zweckmäßigsten und modernsten Gebäulichkeiten dieser
Art in Deutschland angesehen wird.
Ferner ist an die unter seiner Leitung entstandenen Bergmanns-Heimstättenbauten
in Ilse, Anna-Mathilde, Marga und Erika zu erinnern. Die verschiedenen Um- und
Ausbauten der Hauptverwaltung sind ebenfalls das Werk des Jubilars.
Von den in der Nachkriegszeit unter der Leitung des Herrn Kleffel
erichteten besonderen Bauten sind das Beamten-Ledigenheim in Grube
Ilse und das Badehaus Anna-Mathilde hervorzuheben. Die erfolgreiche
Tätigkeit des Herrn Kleffel fand durch die am 23.Dezember 1922 erfolgte
Ernennung zum Prokuristen der Ilse-Bergbau-A.-G. ihre äußere Anerkennung.
Um besagte Bergmannsheimstätten in Grube Marga soll es heute im Wesentlichen
gehen. Beginnen möchte ich aber mit einem Blick vom Kirchturm über einen
Teil der Kolonie in Richtung der beiden Brikettfabriken. Die Aufnahme stammt
wie die anderen heutigen Ansichtskartenmotive aus einer späteren Zeit, was
man auch gut an dem mittlerweile üppig ausgeprägten Baumwuchs erkennen kann.
Danach tauchen wir direkt in die bislang überhaupt noch nicht vorgestellte
Elsterstraße ein. Der Straßenzug kommt in Form dreier Ansichtskarten zur
Geltung. Das mittlere Exemplar entstand am südlichsten Punkt der Elsterstraße.
Von diesem Motiv bringe ich gleich zwei Varianten zum Einsatz. Während die
obere Version produktionstechnisch vom Ende der 1930er stammt, kann mit Hilfe
des darunter abgebildeten Exemplars das Jahr der Aufnahme erheblich weiter unten
fixiert werden. Ich würde sogar behaupten, daß alle vier nachfolgend
abgebildeten Ansichten eher auf das Ende der 1920er als auf das Ende der 1930er
zu datieren sind. Möglicherweise kann dies durch das Auftauchen von "Urversionen"
zukünftig nachgewiesen werden.
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Rudolf Ließ, Bekleidungshaus, Grube Marga, N.-L. R 73163 562329 Aufnahme <= 1941 Sammlung Matthias Gleisner
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Rudolf Ließ, Bekleidungshaus, Grube Marga, N.-L. R 4951 638477 Aufnahme <= 1930 Sammlung Matthias Gleisner
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Rudolf Ließ, Bekleidungshaus, Grube Marga, N.-L. R 41500 Aufnahme <= 1941 Sammlung Matthias Gleisner
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Nach den Aufnahmen aus der Elsterstraße folgt eine einzelne
Ansichtskarte, die uns die Gegebenheiten in der damaligen
Hauerstraße (heute Straße der Jugend) / Ecke Gartenstraße
darstellt. Große Unterschiede zur Jetztzeit kann ich eigentlich
nicht ausmachen.
Ein kleines Detail fällt im rechten Bildhintergrund ins Auge:
das Türmchen, welches einst das Dach des Gemeindeamtes zierte,
aber schon lange nicht mehr existiert.
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Verlag: Ilse-Wohlfahrtsgesellschaft m.b.H., Grube Ilse N.-L. R 29453 Aufnahme <= 1930 Sammlung Erika Fischer
Rudolf Liess, Bekleidungshaus, Grube Marga, N.-L. R 4981 638480 Aufnahme <= 1941 Sammlung Matthias Gleisner
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Gemeindeamt Grube Marga (um 1935)
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Die Mehrzahl der oben abgebildeten Ansichtskarten wurde vom (und damit sicher im) Bekleidungshaus Ließ in Grube Marga vertrieben.
Rudolf Ließ übernahm im Herbst 1937 die Schnittwaren-Abteilung des vorherigen Ilse-Kaufhauses am Markt des Ortes. Gleichzeitig fielen ihm
dabei wohl auch Vorlagen und Vertriebsrechte für einige Ansichtskartenmotive in die Hände, die zuvor die Ilse-Warenvertriebsgesellschaft
an derselben Stelle unter die Leute brachte. Anders kann ich mir die Zusammenhänge bezüglich der unterschiedlichen Verlegerangaben des heutigen
"Doppelpacks" nicht erklären...
Senftenberger Anzeiger (1937)
Wir sind beim Thema "sukzessiver Ausbau von Grube Marga" aber noch lange nicht am Ende angelangt! In der Chronik, die zum 50. Geburtstag der
Ilse Bergbau-AG 1938 herausgegeben wurde, findet man eine kleine Statistik zur Entwicklung des Wohnungswesens im Ort.
| 1914 | 1924 | 1937 |
Grube Marga | Werkwohnungen | 514 | 657 | 754 |
| Bergmannsheimstätten | - | 200 | 200 |
Unter dem Titel Große Erneuerungsarbeiten in Grube Marga erschien 1937 im Senftenberger Anzeiger ein Artikel, der sich ebenfalls
dem Thema widmete und dabei neben der hier dezent eingestreuten NS-Propaganda auch auf einige historische Fakten eingeht. Der Zeitungsbeitrag
wiederholt und vertieft damit einige meiner obigen Ausführungen.
Unser Gemeinwesen Brieske hat für seinen Ortsteil "Werkskolonie Grube Marga"
als alleinigen Lastenträger die "Ilse" Bergbau-Actiengesellschaft, die es sich
angelegen ließ, in der Reihe der am Wiederaufbau Schaffenden mittätig zu sein.
Vor 30 Jahren wurde der erste Spatenstich zu dem Bau einer Bergarbeiterkolonie
getan, die nach dem preisgekrönten Entwurf des Dresdener Architekten G. v.
Mayenburg hier auf märkischem Sand in märkischer Heide Gliederung und Gestalt
erhielt. Bevölkerungspolitisch gesehen, zeigt dieser Lebensraum, der dem
Reichtum der Braunkohle in der Erde seine Entstehung verdankt, ein interessantes
Wachstum. Ende 1907 waren 4 Beamten- und 12 Arbeiterwohnungen und Unterkunftsräume
für 346 Einzelarbeiter fertiggestellt, und heute zählt die mit dem Werk verbundene
Gemeinschaft einschließlich der später erstellten Bergmannsheimstättensiedlungen
gegen 3000 Seelen. Und in baulicher Hinsicht wuchs der Ort mit der Zunahme der
Belegschaft. Die prächtigen und stilvollen Häuser der Kolonie sind in den
letzten Jahren innen und außen gründlich erneuert worden, und gegenwärtig haben
die Gebäude am Marktplatz ein neues und strahlendes Gesicht erhalten. Wohin das
Auge blickt, helle Farbentöne, die in manchem Beschauer den Wunsch aufkommen
lassen, hier wohnen zu dürfen.
Zur Behebung der Wohnungsnot wurden 1935 und 1936 am Anfange der Elsterstraße
zwei Pensionär-Wohnhäuser errichtet und an die werksangehörigen Siedler der
NSKOV.-Frontkämpfersiedlung verlorene Zuschüsse gezahlt.
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Für die nationalsozialistische Jugend sind durch den Ausbau der Kolonnaden im
Gasthausgarten ansprechende Heime entstanden. Die Straßen der Kolonie befinden
sich in mustergültiger Ordnung. Doch überall ist ein Stück schöner Natur in den
Kulturraum eingebettet und wirkt freudeweckend auf die Menschen. So finden wir
Schmuckplätze um den Marktplatz herum, zwischen Werk und Siedlung und als
allerneueste Bereicherung zu beiden Seiten der zum Werk führenden Hauptstraße
herrliche Grünanlagen mit großen Rhododendronbeeten und wirkungsvoll eingestreuten
Nadelhölzern. Hier ist somit der Weg zur Arbeitsstätte vom Gesichtspunkt
"Schönheit der Arbeit" in vorbildlicher Weise anziehend ausgestaltet worden.
Im Schulhause fanden vom Mai bis Anfang August d.J. große Erneuerungsarbeiten
statt. Für die Vertreter aller Handwerke war reichlich Arbeit vorhanden. In
einen jeden Klassenraum führt nun eine Lautsprecherzuleitung, so daß dem Einbau
des Schulfunks in den Unterricht neue Möglichkeiten gegeben sind. Alle Räume und
Flure sind in freundliche Farben und helles Licht getaucht, und die Türen mit
schönen Ziermalereien des Kunstmalers Hamisch, Dresden, heben sich ansprechend
von den gekachelten Wänden ab.
Besondere Anerkennung gebührt dem Leiter des Baubüros der "Ilse" Bergbau-Actiengesellschaft,
Baumeister Kleffel, und der die Malerarbeiten ausführenden Firma Schönert,
Senftenberg, die bei einer Besichtigung durch Bergwerksdirektor Klitzing und
die Schulleitung zum Ausdruck gebracht worden ist.
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In dem zitierten Text taucht eine weitere interessante Bezeichnung auf...
NSKOV-Frontkämpfersiedlung. Die Nationalsozialistische Kriegsopferversorgung (NSKOV)
war eine der NSDAP angeschlossene Wohlfahrtseinrichtung für Schwerkriegsbeschädigte und
Frontsoldaten des Ersten Weltkriegs. Unter ihrer Ägide entstanden u.a. in ganz Deutschland
sogenannte "Frontkämpfersiedlungen". In der Regel gehörte der Grund und Boden der NSKOV,
die Häuslebauer erhielten von der Organisation auch einen Kredit, um sich den Traum
vom Eigenheim erfüllen zu können. Es darf bezweifelt werden, daß die Bauherren in jedem
Fall Teilnehmer, also "Frontkämpfer", des 1. Weltkriegs waren. Stattdessen nutzten mglw.
viele von ihnen nur die Chance, die sich ihnen für eine Verbesserung ihrer Wohnsituation
plötzlich bot. Die erste solcher Siedlungen im damaligen Kreis Calau war jene in Grube Marga.
Die nebenstehende Ansichtskarte liefert uns einen Blick über die zu diesem Zeitpunkt
bereits fertiggestellten Häuser.
Im Mai 1935 erfolgte die Bekanntgabe, daß in kurzer Zeit eine großzügig angelegte
Siedlung der NSKOV in Grube Marga gebaut werden würde. Bereits im September 1935
schritt man zum feierlichen Richtfest von 12 Doppelhäusern.
Zwei Jahre später erschloß man direkt angrenzend an die Frontkämpfersiedlung weiteres Bauland.
Hierzu kaufte die Gemeinde dem Bauern Paul Richter 12 Morgen (30000m²) zu 1000 RM/Morgen
ab. Die einzelnen Parzellen wurden an Siedlungslustige, die mindestens fünf Jahre in
der Gemeinde wohnen oder gewohnt haben, kostenlos übereignet. Ansiedlungslasten wurden
den Siedlern nicht auferlegt. Ferner übernahm die Gemeinde die Kosten des Strassenbaues und
der dauernden Unterhaltung der Strasse und die Herstellung des Grenzzaunes zu dem Richterschen
Restplan.
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Verlag: Ilse-Warenvetrieb G.m.b.H., Grube Ilse, N.-L. R 62223 530324 Aufnahme <= 1937 Sammlung Norbert Jurk
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