Wer vor 2 Wochen die Medien bewußt wahrgenommen hatte, konnte ihm eigentlich gar nicht entgehen... dem Jubiläum 150 Jahre Postkarte. Da www.gruss-aus-senftenberg.de
zu einem gerüttet Maß auf diesem Format basiert, will ich es, wenn auch verspätet, nicht versäumen, die geneigte Leserschaft auf diesen Fakt hinzuweisen.
Ich möchte jedoch nicht die vielen Textbeiträge, die man problemlos selbst im Internet finden kann, zitieren, um die komplette Geschichte der Postkarte selbst noch einmal aufzuschreiben.
Die Anfänge bis zur ersten Bildpostkarte (denn das ist nämlich nicht dasselbe) sollen trotzdem kurz umrissen werden...
1865 - Der preussische Geheime Postrat Heinrich
Stephan legt seiner vorgesetzten Behörde einen
detaillierten Vorschlag zur Einführung einer
Korrespondenzkarte vor. Danach sollen auf einem
"Postblatt" offene Mitteilungen zu einem günstigeren
Tarif möglich werden. Der Plan wird vom Preußischen
Generalpostamt abgelehnt. Die Gründe sind finanzieller
Natur, doch werden vor allem moralische Bedenken
genannt: Postboten, Kinder und Dienstpersonal
könnten die offenen Botschaften lesen, anonymer
Mißbrauch sei möglich. Auf der 5. Deutschen
Postkonferenz, die vom 13. November 1865 bis zum
2. März 1866 in Karlsruhe tagte, machte Stephan Ende
November inoffiziell die Teilnehmer mit seinem
Projekt bekannt.
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Heinrich von Stephan (1831 - 1897)
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1869 - In einem Aufsatz in der Wiener Zeitung "Neue
Freie Presse" vom 26. Januar schlägt Dr. Emanuel
Herrmann, Professor der Militärakademie, ebenfalls
die Einführung einer Postkarte vor. Die österreichische
Post befindet die Idee für gut und beginnt bereits am
1. Oktober mit dem Verkauf der ersten "Korrespondenz-
Karte". Sie hat ein Format von 8,5 x 12,2 cm und trägt
ein eingedrucktes Wertzeichen. Die Seite mit dem
Markeneindruck enthält einen Vordruck für die Anschrift,
die andere Seite ist für die Korrespondenz reserviert.
Bis zum Jahresende werden in Österreich (ohne Ungarn)
knapp 3 Millionen Karten verkauft.
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1870 - Am 26. April wird Stephan zum General-Postdirektor
des Norddeutschen Bundes ernannt. Nun kann er seinen Plan
verwirklichen und führt bereits zum 1. Juli für das
Bundesgebiet ebenfalls eine Korrespondenz-Karte ein.
Allerdings muß er Kompromisse hinnehmen: entgegen seinem
Plan ist die Karte nicht billiger als ein Brief, und die
Marke ist noch nicht eingedruckt. Die Karte ist auch
für den Versand in andere deutsche Staaten zugelassen.
Die gleichzeitig in Bayern, Baden und Würtemberg eingeführten
Karten sind dagegen auf den inneren Verkehr beschränkt.
Zunächst ist nur die Verwendung der amtlichen, von den
Postanstalten selbst herausgegebenen Vordrucke erlaubt.
Bis zum Jahr 1874 wird die Neuerung von allen europäischen
Staaten, den USA und Rußland übernommen.
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Wer wann und wo privat die wirklich allererste Illustration
auf eine Postkarte brachte, war schon unter den Postkartensammlern
der Jahrhundertwende ein nationaler Prestigewettstreit,
dessen Nachhutgefechte heute noch andauern. Tatsache ist,
daß allen Versionen ein legendärer Charakter anhaftet, da
echte Nachweise nicht erbracht werden konnten. Die zur Zeit
nachweislich erste Bildpostkarte vom 19. Mai 1871 stellt
einen bedrohlich aussehenden Drachen dar - der Werbung machte! -
und zwar in Wien für die serbische Zeitschrift "Zmai" (Drachen).
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Die "Gruß aus"-Karte. Seit den 1890er Jahren trug fast jede Ansichtskarte diese Grußformel vor dem Ortsnamen. Unter den heutigen Sammlern wurde sie jedoch zu einem
Spezialterminus für eine meistens lithographische Gestaltung, die sich seit 1890 durchsetzte und in einer spezifischen, dem Format und der Funktion der Karte voll angepaßten, ästhetischen
Bildkomposition ihren Höhepunkt fand. Man folgte dabei dem Quodlibet-Schema, indem man mehrere kleine Darstellungen mit dekorativem Rankenwerk verband, und von der linken oberen Ecke ausgehend,
am oberen und linken Rand entlang arrangierte. So blieb eine fließend abgegegrenzte Fläche für den Text. Wurde schön geschrieben, bildeten Text und Bild zusammen die optimale Ästhetik der
(gelaufenen) Bildpostkarte. Die "Gruß aus"-Komposition wurde kurz vor 1900 zur vorherrschenden Form der Kartengestaltung, die auch für Motiv- und Werbekarten übernommen wurde.
Quelle: "Reklamepostkarten" - Peter Weiss/Karl Stehle - Springer Basel AG (1988)
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Verlag v. G.R.Ziethe, Senftenberg No.1514 Aufnahme <= 1899 Sammlung Matthias Gleisner
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Verlag v. Wilh. Brückner, Senftenberg, N./L. M.W.F. Aufnahme <= 1900 Sammlung Detlef Krumm
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Verlag v. G.R.Ziethe, Senftenberg. - Winkler & Voigt, Leipzig No.1256. Aufnahme <= 1898 Sammlung Matthias Gleisner
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Und da haben wir sie... die im letzten Textabschnitt erwähnten "Gruss aus" - Karten. Selbstverständlich in Senftenberg-Ausprägung. Die "Lausitzer Rundschau" startete
im Zusammenhang mit dem 150. Jahrestag der ersten Postkarte (von denen wir übrigens ganz oben ein Exemplar sehen können) eine Aktion, bei der die Leser
die früheste Lausitzer Postkarte aus ihrem Besitz einreichen können. Die drei oben dargestellten Exemplare gehören eindeutig nicht dazu! Ja, sie sind
nicht einmal die frühesten Exemplare aus Senftenberg! Zudem ist die Aufgabenstellung etwas missverständlich. Wenn tatsächlich nach der frühesten
Postkarte, also nicht Bildpostkarte gesucht wird, dann dürfte es mit Sicherheit so einige Stücke geben, die zwischen der Einführung am 1. Juli 1870
und der ersten nachweisbaren Senftenberger Ansichtskarte aus dem Jahr 1893 mit einem Ausgangsstempel irgendeiner Lausitzer Postagentur versehen wurden
und heute noch existieren. Insofern brauche ich erst gar keine Anstalten machen und kann mir die Teilnahme an dem Wettbewerb der "LR" verkneifen.
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