Adressbuch von Senftenberg
(1925)
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Vor 90 Jahren...
- Senftenberg, 7. Oktober. (Egs.) Die hiesige Baugenossenschaft für Eisenbahnbedienstete wird am Sonnabend, 11. Oktober, die Eisenbahner-Siedlung in der
Freisestraße durch eine Brunnenweihe einweihen. Im Laufe des Jahres sind 56 Wohnungen für Eisenbahner in der Freisestraße gebaut, und die zuletzt hergestellten
32 Wohnungen sind in diesen Tagen bezogen worden. Die Freisestraße ist in der Mitte zu einem schönen, freien Platz erweitert worden, der nun am nächsten
Sonnabend, 11. Oktober, mittags 12 Uhr enthüllt und der Stadt feierlich übergeben werden soll. Es werden verschiedene Ansprachen gehalten, und von einer
Musikkapelle werden einige Musikstücke gespielt. Anschließend daran findet Besichtigung einiger Wohnungen durch die Vertreter der Reichs-, Landes- und
städtischen Behörden statt, dem sich dann ein gemeinsames Essen im Bahnhof anschließen wird. Die Bewohner der Freisestraße werden auch an dieser Stelle
gebeten, die Feier durch Schmücken der Fenster und Häuser zu verschönern. An die Einwohnerschaft, insbesondere aber an die Eisenbahner und deren Familien
ergeht die Bitte, recht zahlreich zu der Feier zu erscheinen.
Soweit also der Senftenberger Anzeiger im Oktober des Jahres 1924, unmittelbar vor besagter Brunnenweihe, die heute das Thema der Woche darstellt. Ich bin
in der glücklichen Lage einige Aufnahmen von exakt diesem Tag, dem 11.10.1924, präsentieren zu können. Leider sind allesamt etwas dunkel, was seine Ursache sicher an
der tiefstehenden Sonne und den damit verbundenen langen Schatten an jenem Tag hat.
Aufnahme = 11.10.1924 Archiv der Stadt Senftenberg
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Aufnahme = 11.10.1924 Sammlung Norbert Jurk
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Wie man auf den Aufnahmen erkennen kann, hatte das mit dem eingeforderten
Schmuck der Häuser leidlich geklappt. Allein die Anteilnahme der Bevölkerung
hielt sich in überschaubaren Grenzen. Soweit ich das beurteilen kann, wurde
der Grossteil der Anwesenden durch die oben erwähnten "Vertreter der Reichs-,
Landes- und städtischen Behörden" gestellt.
Das schien auch dem Korrespondenten des Senftenberger Anzeiger aufgefallen
zu sein, denn die journalistische Nachbearbeitung des Ereignisses fiel vergleichsweise
nüchtern aus und fokussierte stärker auf die Fakten, die natürlich aus heutiger
Sicht auch viel interessanter sind, als eine überschwengliche Beschreibung der
Feier...
Besagten Text möchte ich deshalb nachfolgend dahingehend zitieren.
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Aufnahme = 11.10.1924 Sammlung Norbert Jurk
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- Senftenberg, 13. Oktober. (Brunnenweihe). Die zurzeit wichtigste Frage in einem Gemeinwesen ist die Wohnungsfrage, und gerade hier in Senftenberg ist sie
zu einer brennenden geworden, ist doch die Bevölkerung bedeutend gewachsen, ohne daß wesentlich gebaut wurde. Und gerade unsere Eisenbahnerschaft, die mit den
größeren Bahnhofsanlagen vermehrt worden ist, hat es oft am eigenen Leibe spüren müssen, was es heißt, ohne Wohnung zu sein. Da entschloß sich denn die Reichseisenbahnverwaltung
helfend einzugreifen: sie interessierte unter ihren Beamten - hohen, mittleren und unteren - Männer mit Gemeinsinn für die Wohnungsfrage und schloß sie zu
Siedlungsgesellschaften zusammen, die bereit und entschlossen waren, mit finanzieller Hilfe des Staates der Notlage der Beamtenschaft und damit auch ihrer eigenen
abzuhelfen. Solche Männer fanden sich glücklicherweise auch hier, wie z.B. Herr Oberinspektor Mansfeld, Herr Lokomotivführer Franke u.a.m. Durch das Entgegenkommen
der Stadt konnte das Siedlungsland an der Großenhainer Strecke zu mäßigem Preise erworben werden. Bald wurde mit dem Bau der Siedlung - 1922 - nach Plänen der
Direktion in Halle begonnen, wo Männer wie Herr Oberbaurat Freise und Herr Regierungsrat Consbruch für die gute Sache ein warmes Herz und reges Interesse hatten. -
Der Bebauungsplan wurde einheitlich angelegt und sollte einen Wohnungstyp schaffen, der zugleich praktisch und anheimelnd war. Schon 1923 konnten zwei Häuser mit 8
Wohnungen bezogen werden, 1923 wurde rüstig weitergebaut, am 1. März 1924 wurden 6 Häuser mit 24 Wohnungen und am 1. Oktober 1924 noch 8 Häuser mit zusammen 32 Wohnungen
bezogen, so daß jetzt 16 Häuser mit zusammen 64 Wohnungen besetzt sind. Diese bestehen fast überall aus 3 Zimmern, Küche mit Speisekammer und Korridor. Einige Häuser
haben auch Stallungen. ... Projektiert sind noch 4 Häuser mit 18 Wohnungen. ...
Echte Photographie Trinks & Co. Leipzig O27 MIII-500 Za 28-24-251 Bestell-Nr.10 Teco Aufnahme <= 1945 Sammlung Erika Fischer
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Bei den im letzten Satz erwähnten 4 Häusern handelt es sich zweifellos (unter anderem)
um jenen Teil des Ensembles, welcher auf den drei oberen Abbildungen durch diesen künstlichen
Giebel symbolisiert wurde. Die Endausbaustufe hingegen sehen wir auf der links abgebildeten
Ansichtskarte. Diese ist zwar technisch ein Nachkriegsprodukt, greift jedoch auf ein Motiv
zurück, welches vor 1945 aufgenommen wurde.
Eine Publikation der Reichsbahn vom Ende der 1920er Jahre spricht im Zusammenhang mit der
Freisesiedlung gar von "21 Vierfamilienhäusern mit zusammen 84 Wochnungen". Ich habe
(noch) nicht nachgezählt um festzustellen, wer nun Recht hat.
Ausserdem erfahren wir, dass das 250m lange und 110m breite Gelände im Jahre 1921 im
Zusammenhang mit dem Erweiterungsbau des Senftenberger Bahnhofs durch die Reichsbahndirektion
Halle erworben wurde, um darauf Wohnhäuser zu errichten. Es bestanden sogar Pläne die Siedlung
zu einem späteren Zeitpunkt zu erweitern. Dies scheiterte jedoch daran, dass die Stadt
Senftenberg die angrenzenden Flächen bereits anderweitig vergeben hatte, als man 1927
das Projekt in Angriff nehmen wollte.
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